„Ferienausschuss“, was ist das überhaupt?
Der Stadtrat in Neuburg hat 30 gewählte Mitglieder. Diese tagen unter der Leitung des Oberbürgermeisters in jeder Stadtratssitzung. Begleitend gibt es eine Vielzahl von Ausschüssen und anderen Formierungen, in denen immer Teile des Stadtrats zusammenkommen. Wie zum Beispiel der Verkehrsausschuss, oder der Haupt-, Wirtschafts- und Finanzausschuss. Diese finden aber in einer kleineren Besetzung statt. Jeder Ausschuss hat definierte Themen und Befugnisse, manche dürfen etwas beschließen, andere nur beraten. Abhängig vom Finanzierungvolumen und Thema werden Punkte dann final in den Stadtratssitzungen beschlossen. Der Stadtrat kann beschließen, dass die Stadtratssitzung befristet als „Ferienausschuss“ tagt. In dem Fall übernimmt die Besetzung des Haupt-, Wirtschafts- und Finanzausschuss mit 12 Mitgliedern + Oberbürgermeister und agiert dann mit den gleichen Befugnissen, wie der sonstige 30+1- köpfige Stadtrat. Wie der Name schon sagt, ist der Gedanke, diesen Ausschuss in Ferienzeiten als Übergang zu aktivieren. Vor einem Jahr hat der letzte Stadtrat diesen Ferienausschuss aktiviert, um mit den Gefahren von Corona im ersten Lockdown verantwortungsbewusst umzugehen.
„Ferienausschuss“, warum habe ich diesen abgelehnt?
Das ist eine berechtige Frage. Ich habe abgelehnt, weil ich
auf weitere Maßnahmen und Versäumnisse aufmerksam machen wollte, die ich schon
länger gesehen und angeregt habe und bisher nicht viel passiert ist.
Das Land Bayern schrieb die Stadt Neuburg im Dezember 2020 an,
bitte ihr Möglichstes zur Reduzierung des Personenkreises ihrer Sitzungen zu
tun. In der Verwaltung wurde entschieden, diesen Brief jetzt kurz vor der
Stadtratssitzung im Januar 2021 mit uns Stadträten zu teilen. Die Lösung war
und ist der „Ferienausschuss“!
Also habe ich mich gefragt, warum gab es denn beim zweiten
Lockdown keine Initiativen, die schon mit präventiven Vorschlägen zu
Reduzierung von Kontakten und Zeiträumen geführt hätten? Fast befremdlich habe
ich mich in den letzten Sitzungen gefühlt. Meine Arbeitsstelle ist geschlossen,
mein Kind nicht in der KiTa, man darf keinen treffen, aber ich kann im Stadtrat
in der großen Runde mit einer großen Anzahl von Menschen zusammen sein?
Da habe ich gedacht, ich muss was tun!
Frank Thonig und ich wollten vorausschauend sein und haben zusammen
im Oktober einen Brief an den Oberbürgermeister und die Presse gesendet, mit
der Bitte um digitale Sitzungen. Ich nutze diese Videokonferenzen mittlerweile
persönlich täglich und finde sie einen guten, praktikablen Weg. Bei einigen
Treffen werde ich diesen Weg der Videokonferenzen sicher auch nach der Pandemie
beibehalten.
Onlineabstimmungen von Kommunen gehen in Bayern leider
nicht, weil die Landesregierung an dieser Stelle bisher keine Regelung dafür
geschaffen hat.
Da hätte Söder, der als Entscheider in der Pandemie herausragt,
mehr tun können. In Baden- Württemberg gibt es diese Übergangslösung, die
Sitzungen digital abzuhalten und abzustimmen, schon längst.
Im Januar 2021 hat meine Kollegin Sissy Schafferhans, zusammen mit mir, unseren Oberbürgermeister schriftlich gebeten, am besten alle Sitzungen im Januar 2021 abzusagen. Aus Vorbildfunktion und genau aus den Gründen, die von vielen jetzt so voller Emotionen vorgebracht werden. Einige Sitzungen wurden Ende des letzten Jahres und im Januar auch abgesagt, gut so!
Stadtratssitzung, wer ist denn da im Raum?
Der Stadtrat besteht aus 30 Personen und dem
Oberbürgermeister. Unsere 6 Ortsprecher sind
natürlich auch dabei. Die Verwaltung ist anwesend und belgeitet die Technik,
stellt die Tagesordnungspunkte vor und steht zum Teil für Fragen zur Verfügung.
Daher schwankt die Anzahl, abhängig von den Themen. Es sind aber mindestens 10
Personen. Ferner kann jeder Bürger als Gast kommen. Das nutzen in der Regel
aber nicht mehr als weitere 10 Personen, wir haben in Neuburg hierfür eine Begrenzung.
Es gibt noch unsere Pressevertreter mit 2-4 Personen. Damit kommen wir auf
knapp 60 Menschen.
Was wird getan?
Die Verwaltung der Stadt hat hier mit dem Hygienekonzept
eine gute Basis geschaffen, das eigentliche Ziel, die Anzahl der Personen drastisch
zu reduzieren, wurde aber nur bedingt angefasst. Es gibt Beschränkungen für die
Sitzplätze der Bürger, Abstände, Maskenpflicht, Lüftungsregeln, usw. die
Verwaltung reduziert Teile ihres Teams.
Was könnten wir tun?
Veränderungen, die andere Faktoren betreffen, sind überfällig, schon weit vor dem Schreiben aus München, welches Auslöser der Reaktivierung der „Ferienausschuss-Idee“ war und keine Eigeninitiative.
Alternative 1:
Die Sitzungen dauern oft gut 3 Stunden. Wir hätten alle Sitzungen digital stattfinden lassen können und dort eine Probeabstimmung durchführen können. Danach gäbe es die Möglichkeit, uns real zu treffen und zügig „echt“ abzustimmen, um die Zeit auf 30 Minuten oder weniger zu reduzieren. Dabei wären dann auch nur noch die 30 Stadträte, der Oberbürgermeister und 1-2 Personen der Verwaltung nötig. Alle anderen hätten alles vorher digital erfahren, konnten sich einbringen und müssten keinem Risiko ausgesetzt werden.
Alternative 2:
Wir könnten allen Anwendenden die Möglichkeit bieten, über eine Videokonferenz mit dabei zu sein und sich über diesen Weg einzubringen, um für viele das Risiko zu minimieren. Damit wären wir in der Lage, die Gruppe letztendlich auf nicht viel mehr als 30 Personen zu reduzieren. Diese Option kam bisher nicht in Betracht. Auch wenn Bürger das Anrecht auf Teilnahme haben, kostet die Frage, ob diese dabei aus einem „anderen Raum“ zusehen, erstmal nichts.
Hierbei muss ich mich bei den Ort Sprecherinnen/n entschuldigen: Ich hätte nicht für deren Abwesenheit stimmen sollen, das wünsche ich absolut nicht. Es gab nur die digitale Option nicht, diese hätte ich fordern müssen, um ihre Anwesenheit und das damit verbundene Rederecht hier zu erhalten, ohne es weiter zu gefährden.
Alternative 3:
Wir hätten auch einen Entwicklungsstau für eine Zeit in Kauf
nehmen können und einfach für eine Zeit alle Sitzungen absagen, auch das kam
nicht in Betracht.
Wer verlässt jetzt die Komfortzone? Unter den aktuellen Bedingungen wären in einem „Ferienausschuss“ eine ähnliche Anzahl an Personen, als wenn wir andere Maßnehmen schon ergriffen hätten.
Optionen:
Man sollte Faktoren wie die Räumlichkeiten neu denken, die
Stadtratsmitglieder könnten die Technik selber bedienen, zum Mikrofon laufen. Die
Zeitfenster müssten wir wesentlich verringern, der beste Weg wäre da, die Länge
der Tagesordnungspunkte kürzer fassen und nicht Rederecht zeitlich
einzuschränken. Nicht akzeptabel sollte die Devise sein, sondern maximaler
Schutz sollte an erster Stelle stehen.
Die Interessen der Personen, die es betrifft, besonders
derer, die es beruflich begleiten, werden mit dem „Ferienausschuss“, in der
geplanten Form, nur zum Teil gewahrt. Erst die Ablehnung führt dazu, dass jetzt
ernsthaft Entscheidungen zu Digitalität und ein Anstoß, die Grundhaltung zu
überdenken, ausgelöst wurden.
Jetzt liegt der Finger in der Wunde und es schmerzt mich, dass
wir ihn genau dort reinlegen mussten. Weil ich die Schuhe des „Coronabelächlers“
nicht tragen will, da ich genau gegenteilige Forderung gestellt habe.
Ich hoffe!
Vielleicht bekommen wir als Bürger, als Stadträte, einen
solchen Brief zukünftig etwas früher, wie es meine Kollegin Dr. Hildebrandt
gefordert hat, um auch mit zu agieren und zu überlegen, was wir besser machen
können. Vielleicht findet Frank Thonigs und meine Bitte auf mehr Digitalität in
den Sitzungen, aufgrund der Situation das nächste Mal mehr Beachtung. Vielleicht
ist es doch nicht zwingend nötig, sofort zu entscheiden und es könnte beim
nächsten Mal der Folgemonat reichen oder wir machen einfach mal eine Pause.
Der „Ferienausschuss“ löst die Frage nicht, warum wir
gezwungen sind, mit Anwesenheit abzustimmen, warum wir gezwungen sind, Menschen
einem Risiko auszusetzten.
Mein Fazit:
Es wird keinen „Ferienausschuss“ geben. Es gibt starke Argumente und Kritik ist berechtigt, trotzdem wähle ich diesen Weg als Protest, um ein Statement zu setzten. Das haben viele Stadträte gemeinsam getan. Ich verstehe es als Aufforderung, an unseren Oberbürgermeister. Alle, die für den „Ferienausschuss“ waren, stehen geradlinig für Vorsicht und Sicherheit. Für mich sind beide Entscheidungen begründet.
Ich begrüße noch, dass wir auf dem Wege uns auch
entschlossen haben, den Testlauf, die Sitzungen öffentlich zu machen, anzugehen.
Toll, dass dafür eine Mehrheit zustande kam. Ob es nachher wirklich ein Video
sein muss oder ob ein Audio reicht, kann man noch entscheiden. Ich verstehe
auch, dass nicht jeder „gesendet“ werden möchte. Der Audio-Weg wäre an der
Stelle vielleicht fairer und besser vermittelbar, aber es ist der Weg der
Zukunft, der Transparenz.
Ich hoffe an der Stelle auf die Vernunft des Stadtrates, seine
Angst vor dann möglicherweise viel längeren Reden, zu entkräften und unsere
Übertragung zum Erfolg zu machen.
Wir wollen doch alle Bürger für kommunale Themen begeistern
und bei diesen mitnehmen. Da ist eine Plattform, bei der man dies online verfolgen
kann, doch der richtige Schritt. Ich persönlich spreche mich an der Stelle auch
für die vollständige Transparenz aus, die digitalen Audio- Aufzeichnung sollten
langfristig hörbar sein. Ich denke zweifelnd, dass ich dafür keine Mehrheit
finden werde, aber ich lasse mich gerne überraschen.
LG Florian Herold