(Die Neuburger Rundschau wollte meinen Text nicht in Gänze drucken, dieses ist die ungekürzte Fassung)
In welchem Neuburg wollen Sie leben?
Heute sagt mir ein Freund, dass sein Event ausfällt liegt an
der Fly Bar? Haben wir die 50 überschritten wegen dieser Party, stimmt seine
Aussage? Kamen die Gäste überhaupt aus unserem Landkreis? Ich glaube, dass der
Artikel diese Wirklichkeit vermittelt, es steckt aber mehr dahinter. Es ist
immer so einfach einen Schuldigen auszumachen.
Ich habe das Gefühl, dass die meisten Neuburger in einer Stadt
Leben wollen, die der Jugend gegenüber aufgeschlossen ist. Gerade erst haben
wir uns motiviert für den Campus der Hochschule entschieden. Da setze ich an.
Eine der wichtigen Fragen ist, was bedeutet das? Keiner
möchte, dass im Nachklang die Hochschule zu Unzufriedenheit bei der Bevölkerung
führt. Wie können wir hier vorbeugen und alle mitnehmen? Um das zu beantworten,
möchte ich zuerst einige Fragen stellen: Wie wirkt sich die Hochschule auf die Anbindung
Bahnhof und Innenstadt aus? Wo stehen Fahrräder und Autos der künftigen
Studenten? Was bedeutet es für die Wohnraum-Entwicklung? Wollen wir, dass die
Studenten nach dem Studium in Neuburg eine Arbeit und ein Zuhause finden? Was bedeutet
das für Neuburgs Unternehmen? Wo findet sich der Raum für Firmen, die Interesse
an den Studiengängen haben, um die Studenten schon früh begleitend in die
Betriebe mit aufzunehmen? Was bedeutet das für unseren Einzelhandel, für die
Gaststätten und besonders für die Orte, wo junge Menschen feiern gehen?
Meiner Meinung nach sind diese Entscheidungen jetzt zu
treffen und Konsequenzen zu ziehen, mit ganzheitlichen Konzepten, baulich, fördernd
und integrativ. Wir sollten nicht den Fehler machen, nur im Bedarfsfall
nachträglich zu reagieren.
Betrachtet man die „aufsehenerregenden“ Events in der Fly Bar,
spürt man, dass die Spannungen tiefer liegen. Hier wird meiner Meinung nach oberlehrerhaft
auf Versäumnisse hingewiesen. Mir ist diese Kritik zu kurz gedacht und stellt
nicht die richtigen Weichen!
Versetzten wir uns in die Lage junger Neuburger, dann sollte
sich jeder fragen: wie vernünftig war ich mit 18 Jahren? Was wäre gewesen, wenn
ich fast ein Jahr meiner Jugend nur sehr eingeschränkt das tun kann, was alle Jahrgänge
vor mir gemacht haben, nämlich feiern, Freunde treffen, die Unbeschwertheit
genießen? Na, wie hätten Sie sich da verhalten?
Ist es eine Lösung zu rebellieren, gegen Auflagen private Partys
zu veranstalten und vom Radar zu verschwinden? Ohne, dass Listen geführt
werden, ohne, dass man weiß, wer dabei war?
Auf der anderen Seite agiert der Gesetzgeber, er ringt nach
Lösungen. Das ist absolut keine leichte Aufgabe und ich spüre im Landtag auch
den Willen, praktikable, gute Lösungen zu finden. Der Landtag erlaubt seit
einiger Zeit, dass Bars ihre Räumlichkeiten für private Veranstaltungen vermieten,
allerdings unter hohen Auflagen. Das tut er auch, um diesen Betrieben nach
langer Dürre- und Wartezeit wieder Chancen zu geben. Die neue Corona-Ampel
bringt hier klare lokale Regeln, das ist gut, trifft aber auch wieder viele
kleine Unternehmen sehr hart. Ich bin ein Verfechter für die Einhaltung der Regeln,
um damit allen Menschen und besonders Risikogruppen gerecht zu werden. Erst
gestern Abend haben wir die JHV der Freien Wähler aus diesem Grund abgesagt, um
den Entwicklungen im Landkreis und dem Risiko vorzubeugen und damit schon den
Regeln der Ampel vorgegriffen.
Als Unternehmer, die Personal bezahlen müssen und wünschen, ihren
Betrieb aufrecht zu erhalten, verstehe ich, dass diese ihre Bars wieder öffnen,
wenn der Gesetzgeber – unter Auflagen – eine Geschäftstätigkeit ermöglicht. Würden
Sie da Ihren Laden geschlossen halten? Beim Einzelhandel wurde das nicht mal diskutiert,
da waren alle froh, dass wieder geöffnet wurde. Bei den Restaurants ebenfalls.
Umso kleiner die Gruppe ist, die es betrifft, also die Bars in diesem Fall,
umso leichter tut man sich damit, dieses zu verurteilen. Oder gilt etwa die
Meinung, dass Bars kein lebenswichtiger Bestandteil im gesellschaftlichen Leben
sind? Dann gäbe es sie aber nicht, wären
sie kein Teil unserer Gesellschaft.
Jetzt gibt es in Neuburg den Fall, dass auf einer dieser
Feiern in oben genannter Bar Coronainfektionen nachgewiesen wurden. Ja, das ist
schlimm und macht mir Sorgen. Die einfachste Antwort wäre: solche Feiern darf
es nicht geben. Ab jetzt, durch die Ampelregel ist es auch nicht mehr möglich. Zu
dem früheren Zeitpunkt war es aber im Rahmen der gesetzlichen Regeln.
Damit sind wir bei meiner Kritik. Der Artikel rückt, die Fly
Bar und die jungen Gäste in ein Licht der Ausschweifungen und der Rebellion. Das
ist eine schnelle Antwort, die außer Acht lässt, dass wir unser Leben nicht völlig
in den Stillstand versetzen können. Es gibt weiterhin Geburtstage, Hochzeiten und
mehr. Besonders junge Menschen, die gerne etwas erleben wollen und für die dieses
Jahr eine große Bedeutung, beispielsweise ein gelungener Schulabschluss, eine
bestandene Prüfung, hat, darf man nicht unbeachtet lassen.
Wäre es besser gewesen, wenn die Partys privat laufen würden?
Wenn es die Bar nicht gäbe, wäre das Gleiche vielleicht im
privaten Rahmen passiert. Dann hätte es keine gewissenhaften Gastronomen
gegeben, die dem Landratsamt die Besucherlisten zur Verfügung gestellt hätten. Mir
ist es so deutlich lieber.
In welchem Neuburg wollen wir leben?
Wollen wir, dass unsere Jugend zum Feiern nach Ingolstadt
fährt oder privat feiert, weil wir diesen Lärm, dieses Risiko, diese
Verantwortung nicht wollen? Verhindern wir denn diese Feiern, wenn wir Bars und
Clubs und deren Nutzung nicht mehr zulassen?
Mit der Entscheidung für eine Hochschule in Neuburg haben
wir uns eigentlich auch dafür entschieden, dass wir mehr Bars und Clubs
bekommen werden. Mehr Bars wie die Fly Bar werden entstehen. Bars, die wie auch
andere Unternehmungen die Jugend in Neuburg halten. Es ist aber erst der Anfang
und ich persönlich freue mich auf die Entwicklung in der Stadt, dass wir
abwechslungsreich weggehen werden können und Neuburg sich als Eventstandort
weiter entwickeln kann.
Ja, es kann lauter werden, ja es wird mehr Nachtleben geben.
Natürlich kann man darauf verzichten, aber wollen wir das wirklich? Es gibt
auch eine Zeit nach Corona! Wäre es besser, wenn alle Bars bis dahin
geschlossen blieben, weil deren Betrieb in diesem Jahr besser wegfallen sollte?
Wir wollen die Hochschule, scheinbar aber nicht mit allen
Konsequenzen. Heute wird sich darüber aufgeregt, was wird dann erst in ein paar
Jahren los sein? Leider hilft es da auch nichts, wegen der Corona-Zahlen mit
dem Finger auf die Fly Bar zu zeigen, die sich an der Stelle akkurat im Rahmen
der gesetzlichen Möglichkeiten verhalten hat.
In welchem Neuburg wollen wir leben?
Ich möchte in einem Neuburg leben, in dem wir gemeinsam über
die kommenden Jahre nachdenken und es gestalten. Mir war und ist bewusst, dass
wir mit der Hochschule die Nachtszene in Neuburg zum Blühen bringen werden und
plötzlich viele spannende „Ecken“ in Neuburg entstehen werden. Also arrangieren
wir uns doch mit denen, die wir schon haben und lernen, gemeinsam nebeneinander
zu leben und Lösungen zu finden – auch in schwierigen Zeiten. Alle waren mal
jung, das darf man nicht außer Acht lassen, vielleicht hat nicht jeder so weit
gedacht, nicht in die Zukunft und nicht weit genug zurückgeblickt, um angemessenes
Verständnis zu zeigen.
Wir sollten in dieser Zeit mit Corona besonders umsichtig miteinander
umgehen, dazu gehört aber auch, auf die Stimmen aller Menschen zu hören und sich
nicht da taub zu stellen, wo es einem nicht in den Kram passt. Sonst sage ich
willkommen in der Prohibition!
Transparenz ist meine Antwort, in diesem Neuburg möchte ich
leben.
Florian Herold