Leserbrief zum Beitrag der Neuburger Rundschau „Privatpartys mit Beigeschmack“ erschienen am 15.10.2020

(Die Neuburger Rundschau wollte meinen Text nicht in Gänze drucken, dieses ist die ungekürzte Fassung)

In welchem Neuburg wollen Sie leben?

Heute sagt mir ein Freund, dass sein Event ausfällt liegt an der Fly Bar? Haben wir die 50 überschritten wegen dieser Party, stimmt seine Aussage? Kamen die Gäste überhaupt aus unserem Landkreis? Ich glaube, dass der Artikel diese Wirklichkeit vermittelt, es steckt aber mehr dahinter. Es ist immer so einfach einen Schuldigen auszumachen.

Ich habe das Gefühl, dass die meisten Neuburger in einer Stadt Leben wollen, die der Jugend gegenüber aufgeschlossen ist. Gerade erst haben wir uns motiviert für den Campus der Hochschule entschieden. Da setze ich an.

Eine der wichtigen Fragen ist, was bedeutet das? Keiner möchte, dass im Nachklang die Hochschule zu Unzufriedenheit bei der Bevölkerung führt. Wie können wir hier vorbeugen und alle mitnehmen? Um das zu beantworten, möchte ich zuerst einige Fragen stellen: Wie wirkt sich die Hochschule auf die Anbindung Bahnhof und Innenstadt aus? Wo stehen Fahrräder und Autos der künftigen Studenten? Was bedeutet es für die Wohnraum-Entwicklung? Wollen wir, dass die Studenten nach dem Studium in Neuburg eine Arbeit und ein Zuhause finden? Was bedeutet das für Neuburgs Unternehmen? Wo findet sich der Raum für Firmen, die Interesse an den Studiengängen haben, um die Studenten schon früh begleitend in die Betriebe mit aufzunehmen? Was bedeutet das für unseren Einzelhandel, für die Gaststätten und besonders für die Orte, wo junge Menschen feiern gehen?

Meiner Meinung nach sind diese Entscheidungen jetzt zu treffen und Konsequenzen zu ziehen, mit ganzheitlichen Konzepten, baulich, fördernd und integrativ. Wir sollten nicht den Fehler machen, nur im Bedarfsfall nachträglich zu reagieren.

Betrachtet man die „aufsehenerregenden“ Events in der Fly Bar, spürt man, dass die Spannungen tiefer liegen. Hier wird meiner Meinung nach oberlehrerhaft auf Versäumnisse hingewiesen. Mir ist diese Kritik zu kurz gedacht und stellt nicht die richtigen Weichen!

Versetzten wir uns in die Lage junger Neuburger, dann sollte sich jeder fragen: wie vernünftig war ich mit 18 Jahren? Was wäre gewesen, wenn ich fast ein Jahr meiner Jugend nur sehr eingeschränkt das tun kann, was alle Jahrgänge vor mir gemacht haben, nämlich feiern, Freunde treffen, die Unbeschwertheit genießen?  Na, wie hätten Sie sich da verhalten?

Ist es eine Lösung zu rebellieren, gegen Auflagen private Partys zu veranstalten und vom Radar zu verschwinden? Ohne, dass Listen geführt werden, ohne, dass man weiß, wer dabei war?

Auf der anderen Seite agiert der Gesetzgeber, er ringt nach Lösungen. Das ist absolut keine leichte Aufgabe und ich spüre im Landtag auch den Willen, praktikable, gute Lösungen zu finden. Der Landtag erlaubt seit einiger Zeit, dass Bars ihre Räumlichkeiten für private Veranstaltungen vermieten, allerdings unter hohen Auflagen. Das tut er auch, um diesen Betrieben nach langer Dürre- und Wartezeit wieder Chancen zu geben. Die neue Corona-Ampel bringt hier klare lokale Regeln, das ist gut, trifft aber auch wieder viele kleine Unternehmen sehr hart. Ich bin ein Verfechter für die Einhaltung der Regeln, um damit allen Menschen und besonders Risikogruppen gerecht zu werden. Erst gestern Abend haben wir die JHV der Freien Wähler aus diesem Grund abgesagt, um den Entwicklungen im Landkreis und dem Risiko vorzubeugen und damit schon den Regeln der Ampel vorgegriffen.

Als Unternehmer, die Personal bezahlen müssen und wünschen, ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, verstehe ich, dass diese ihre Bars wieder öffnen, wenn der Gesetzgeber – unter Auflagen – eine Geschäftstätigkeit ermöglicht. Würden Sie da Ihren Laden geschlossen halten? Beim Einzelhandel wurde das nicht mal diskutiert, da waren alle froh, dass wieder geöffnet wurde. Bei den Restaurants ebenfalls. Umso kleiner die Gruppe ist, die es betrifft, also die Bars in diesem Fall, umso leichter tut man sich damit, dieses zu verurteilen. Oder gilt etwa die Meinung, dass Bars kein lebenswichtiger Bestandteil im gesellschaftlichen Leben sind?  Dann gäbe es sie aber nicht, wären sie kein Teil unserer Gesellschaft.

Jetzt gibt es in Neuburg den Fall, dass auf einer dieser Feiern in oben genannter Bar Coronainfektionen nachgewiesen wurden. Ja, das ist schlimm und macht mir Sorgen. Die einfachste Antwort wäre: solche Feiern darf es nicht geben. Ab jetzt, durch die Ampelregel ist es auch nicht mehr möglich. Zu dem früheren Zeitpunkt war es aber im Rahmen der gesetzlichen Regeln.

Damit sind wir bei meiner Kritik. Der Artikel rückt, die Fly Bar und die jungen Gäste in ein Licht der Ausschweifungen und der Rebellion. Das ist eine schnelle Antwort, die außer Acht lässt, dass wir unser Leben nicht völlig in den Stillstand versetzen können. Es gibt weiterhin Geburtstage, Hochzeiten und mehr. Besonders junge Menschen, die gerne etwas erleben wollen und für die dieses Jahr eine große Bedeutung, beispielsweise ein gelungener Schulabschluss, eine bestandene Prüfung, hat, darf man nicht unbeachtet lassen.

Wäre es besser gewesen, wenn die Partys privat laufen würden?

Wenn es die Bar nicht gäbe, wäre das Gleiche vielleicht im privaten Rahmen passiert. Dann hätte es keine gewissenhaften Gastronomen gegeben, die dem Landratsamt die Besucherlisten zur Verfügung gestellt hätten. Mir ist es so deutlich lieber.

In welchem Neuburg wollen wir leben?

Wollen wir, dass unsere Jugend zum Feiern nach Ingolstadt fährt oder privat feiert, weil wir diesen Lärm, dieses Risiko, diese Verantwortung nicht wollen? Verhindern wir denn diese Feiern, wenn wir Bars und Clubs und deren Nutzung nicht mehr zulassen?

Mit der Entscheidung für eine Hochschule in Neuburg haben wir uns eigentlich auch dafür entschieden, dass wir mehr Bars und Clubs bekommen werden. Mehr Bars wie die Fly Bar werden entstehen. Bars, die wie auch andere Unternehmungen die Jugend in Neuburg halten. Es ist aber erst der Anfang und ich persönlich freue mich auf die Entwicklung in der Stadt, dass wir abwechslungsreich weggehen werden können und Neuburg sich als Eventstandort weiter entwickeln kann.

Ja, es kann lauter werden, ja es wird mehr Nachtleben geben. Natürlich kann man darauf verzichten, aber wollen wir das wirklich? Es gibt auch eine Zeit nach Corona! Wäre es besser, wenn alle Bars bis dahin geschlossen blieben, weil deren Betrieb in diesem Jahr besser wegfallen sollte?

Wir wollen die Hochschule, scheinbar aber nicht mit allen Konsequenzen. Heute wird sich darüber aufgeregt, was wird dann erst in ein paar Jahren los sein? Leider hilft es da auch nichts, wegen der Corona-Zahlen mit dem Finger auf die Fly Bar zu zeigen, die sich an der Stelle akkurat im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten verhalten hat.

In welchem Neuburg wollen wir leben?

Ich möchte in einem Neuburg leben, in dem wir gemeinsam über die kommenden Jahre nachdenken und es gestalten. Mir war und ist bewusst, dass wir mit der Hochschule die Nachtszene in Neuburg zum Blühen bringen werden und plötzlich viele spannende „Ecken“ in Neuburg entstehen werden. Also arrangieren wir uns doch mit denen, die wir schon haben und lernen, gemeinsam nebeneinander zu leben und Lösungen zu finden – auch in schwierigen Zeiten. Alle waren mal jung, das darf man nicht außer Acht lassen, vielleicht hat nicht jeder so weit gedacht, nicht in die Zukunft und nicht weit genug zurückgeblickt, um angemessenes Verständnis zu zeigen.

Wir sollten in dieser Zeit mit Corona besonders umsichtig miteinander umgehen, dazu gehört aber auch, auf die Stimmen aller Menschen zu hören und sich nicht da taub zu stellen, wo es einem nicht in den Kram passt. Sonst sage ich willkommen in der Prohibition!

Transparenz ist meine Antwort, in diesem Neuburg möchte ich leben.

Florian Herold