In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Gedanken zur Bundestagswahl 2021

Was wir alle wissen ist, dass Corona die Entwicklung des Kaufverhaltens um Jahre beschleunigt hat. Der jährlich zunehmende Onlinekauftrend ist zur Rakete geworden. Wir merken unbewusst, dass wir uns selbst gerade konditionieren, um alles, was wir brauchen in wenigen Supermärken und online zu bestellen. Wird das nach Corona rückgängig gemacht werden? Ich glaube nicht.

Parallel dazu verschiebt sich vieles in digitale Treffen. Unternehmen optimieren sich, Personal kann gespart werden, weil auch viel so funktioniert. Unser immer breiter aufgestellter Dienstleistungs-anteil steht still oder minimiert sich. Wird es nach Corona einfach so weitergehen wie vorher? Ich glaube nicht.

Filialisten können wegen Teilsortimenten aufsperren, die Fachhändler ziehen den Kürzeren, viele Branchen zittern um ihr Fortbestehen. Auch wenn Hilfen ankommen, wie wird es weitergehen, wenn alles wieder aufsperrt und die Hilfen ausbleiben?

Was ist mit den Kurzarbeitern bei den großen Unternehmen, die auf Kosten unseres Systems alle belasten, anstatt neue Wege zu gehen und eigentlich Corona nur nutzen, ihren Entwicklungsstau zu überbrücken. Ist das gut überlegt?

Wir rühmen uns jetzt vieler neuer Unternehmens-Gründungen, die innovativ auf Corona reagieren, die Kurzarbeiterregel aber über 2021 zu verlängern, überbrückt nur den Wandel und die dadurch resultierenden breitflächigen Pleiten, die dem Gründungsboom entgegenstehen und die Umstrukturierungsfrage unserer Gesellschaft auf den Zeitpunkt nach der Bundestagswahl verlegt.

Wird nach Corona das passieren, was nach jeder Wirtschaftskrise passiert? Wir bauen mit öffentlichen Mitteln, was das Zeug hält, damit die Wirtschaft angekurbelt wird. Das wäre richtig, denn die pro- Kopf-Verschuldung in Deutschland ist trotz der enormen Summen, die für Corona in die Hand genommen wurden und werden, noch moderat im Vergleich zu anderen Ländern. 

Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der wir Menschen bewusst wegen ihres Alters oder ihrer Vorerkrankung sterben lassen, daher sind viele Maßnahmen richtig und lebenswichtig.

Wir sollen uns gewahr sein, dass Corona unsere Gesellschaft verändert hat, verändern wird, die Städte, in denen wir leben, das, was unsere Arbeit wert ist und wie sicher wir uns in dieser Gesellschaft fühlen.

Ich möchte in einer Stadt leben, die voll Leben, Handel und Bewegung ist. Wir müssen uns trauen, an die Grundfesten des freien Wettbewerbs zu greifen. Nur, weil der freie Markt es zulässt, bin ich trotzdem gegen das Fachhandelssterben und für den lokalen Handel und lokale Dienstleister. Mit einfachen Mitteln wie einer MwSt für Onlinehandel 25%/15% und einer Anpassung auf 15%/5% für den Lokalhandel wäre der Weg frei, dass wir unsere lokalen Strukturen erhalten können.

Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der für alle Unternehmer, für alle Unternehmen Arbeit zählt und seinen Wert hat. Das tut es leider nicht. Für viele zählt der Profit weit mehr als das Personal. Daher sollten wir unser Steuersystem an die Anzahl der Mitarbeiter proportional zum Umsatz ausrichten. Wer einen hohen Personalschlüssel mit passendem Gehalt zu Gewinn und Umsatz hat, zahlt wenig Steuern, wer einen niedrigen hat, zahlt viele Steuern. Wer kaum Mitarbeiter beschäftigt, zahlt so viel Steuern, dass er besser wieder mehr Menschen einstellt und diese gut bezahlt. Die meisten Klein- und Mittelstandsgewerbe tun das im Moment noch, sie beschäftigen Menschen und wertschätzen diese. Dafür dürfen sie nicht benachteiligt werden, wenn sie das Rückgrat unserer Gesellschaft sind.

Wir entscheiden, in welcher Gesellschaft wir leben wollen, nicht Corona, nicht die Industrie 5.0, keine neue Technik und auch keine Unternehmen. Wir glauben das nur manchmal.

Mit meinen zwei Ansätzen der erhöhten MwSt für Onlinehandel und einem Steuermodell pro Mitarbeiter wären Weichen gestellt, für eine Welt, in der ich lieber leben würde, als alles seinen Gang gehen zu lassen und die Marktwirtschaft sich regulieren zu lassen.

Gedanken, die ich mir zur Bundestagswahl 2021 gemacht habe, mit der Frage: „Wie stellen wir Freien Wähler uns in der Lokalpolitik zu dieser Frage auf?“

Lieben Gruß, Florian Herold